Es kommt mir vor, als würden die Vögel im Garten der AWO Sauerlach schöner und harmonischer singen als anderswo. Und auch die Zeit scheint hier langsamer zu vergehen – aber nicht schwer oder träge, sondern auf eine sanfte, wohltuende Weise.
Fast so, als wäre die Zeit eine Bühne, auf der sich alles freier entfalten darf.
Oder eine weiße Leinwand, weit und offen, bereit für mehr Farben, mehr Ausdruck, mehr Menschlichkeit. Als ich mein Orientierungspraktikum zum Betreuungsassistent vor zwei Wochen begann, wusste ich noch nicht was mich erwartete. Ebenso wusste ich noch nichts von den Geschichten der Nachkriegszeit von Herr E. Den Urlaubserinnerung an der italienischen Rivera von Frau A. Oder von den Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen, Rückblicken und auch Vergangenheitswehen vieler Bewohner*innen des Seniorenzentrums. Wie es wohl sein muss im hohen Alter auf Hilfe angewiesen zu sein, wobei man doch nahezu sein ganzes Leben selbstständig bestritt? Für mich, in meinem Körper, welcher mickrige 23 Jahre abzeichnet und meinen Kopf, der sich keine Gedanken um das Vergessen macht, unvorstellbar. Umso mehr wurde es mir in den vergangenen 14 Tagen eine Herzensangelegenheit, die Selbständigkeit der Bewohner*innen die noch ist, aufrechtzuerhalten, eine Hilfe zu sein, dort wo sie abgegeben werden musste. Und genauso dazu sein, wie ich es mir wünschen würde, dass für mich, in einer ähnlichen Situation, jemand da wäre. Da sein. Ich glaube, dass ist der Begriff mit dem ich meine Tätigkeiten am besten zusammenfassen würde. Ein offenes Ohr haben für Worte, die sich nach einem Empfänger sehnen. Eine Stütze sein, da wo die eigenen Beine schwer werden. Mit Menschlichkeit, mit Hingabe, mit einem Lächeln auf den Lippen und einer Zuneigung, die spürbar ist. Es ist Donnerstag morgen 7:58 Uhr, ich streife durch die automatischen Doppelschiebetüren des Seniorenzentrums. Auf dem Weg nach oben, in das Büro der Sozialdienstleistungen begegne Ich Frau M. Wir tauschen ein Lächeln aus, gefolgt von einem „Guten Morgen“. Beim vorbei gehen rufe ich ihr zu „Heute ist ein guter Tag, heute scheint die Sonne schön!“. Ich bleibe einen Moment stehen, schaue aus dem Fenster und tatsächlich, das tut sie auch. (von Ferdinand Pichler)